Was wäre wenn

Die Peitschenhiebe prallen auf meinen blutigen Rücken , der kalte Windzug der durch die Bretterritzen zieht kühlte, trotzdem wahr es kalt. Der Hunger, der tägliche Hunger zerrt an meinen Verstand. Den sichern Tod vor Augen , läßt mich aufatmen. Bin nun schon immer auf diesem Schiff. Ruder für des Königs Admiral, welcher nicht mein Landsmann ist. Ich bin Sklave, Sklave auf irgendeiner von den Tausenden Galeeren, welche die Weltmeere befahren. Das fette Ruder welches von mindestens vier Personen geführt wird, stärkt meine Muskeln, stählern meinen ganzen Körper. Sehe gut aus, was nutzt es, werde nie wieder eine Magd zu Gesicht bekommen. Wurde verkauft, für zwei Golddukaten. Schon fast zu teuer für unsere heutige Zeit. Viele Menschenleben sind nichts wert, zu allen Epochen der Zeit. Arm! Meist sogar im Namen des Glaubens. Ärmer! Traurig, der Mensch.
Nicht mein Leben. Doch was wäre wenn ? Mir geht es gut, sitze hier mit den Reinheitsgebot deutscher Braukunst, in meiner Liege und phantasiere. Was wäre wenn?
Brauchte dieses Leben nicht zu leben, liege hier , habe keine dererlei Verpflichtungen. Bin frei, schäme mich fast. Kann nichts dafür. Karma?

Kratze gerade einen neuen Strich in die kalkige Wand , die feuchte spröde. Das alte Gemäuer. Der tausendste, habe irgendwann aufgehört zu zählen. Wofür, für wem? Werde immer hier sein, auf ewig. Der Einzige der mich hier noch besuchen kommen wird ist der Tod, ich hoffe schnell.
Hatte nur ne andere Meinung, fast zehn Jahre her, weis gar nicht mehr welche . Weis gar nicht mehr warum überhaupt. Ich war jung, rebellisch, mußte mich auflehnen, egal gegen was. Tradition! Bekriegen sich die Menschen seit urgedenken, wird's von Generation zu Generation weitergegeben. Politische, Religiöse oder sonstige Ansichten werden den Söhnen in Herz getragen in seinem Geiste verankert. Schaut euch um und sagt mir was ihr sehet. Da wo du hinein geboren wirst, jene Weltansicht wirst du bis zu deinem Tode in dir tragen, wirst für sie kämpfen und wenn es sein muß auch sterben. So wie es mein Schicksal nun mal ist
Ich stand mitten in einem Herr der Germanen jenseits der Weser in Schlachtlinie. Nach Meinung des Cäsars war es gegen alle Regeln der Feldherrenzunft, die Legion der Gefahr auszusetzen. Die blutige Schlacht dauerte drei Tage und drei volle Nächte. Etliche hunderte Liter Blut durchtränkten in jenen Tagen den Mutterboden meiner Heimat. Wahr es überhaupt noch meine Heimat, gehörte das Land für welches wir kämpften überhaupt jemanden? Wie konnten es sich die Menschen anmaßen, zu glauben ihnen gehöre hier irgend etwas auf diesen wundervollen Planeten? Das alte Schloß welches mich von meiner Freiheit trennte klackste, hörte die Drehung eines Schlüssels, das Quietschen der verrosteten Scharniere. Eine gedämpfte Lichtflut erhellte meinen Kerker, welcher sonst meist verdunkelt wahr. Wenn die Sonne morgens über die Beobachtungsluke wanderte, so schien sie für einen kurzen Moment auf meinen gemarterten Körper.
Zwei bullige Kerle verdunkelten wieder den Raum, kamen auf mich zu schlugen mich, wie jeden Tag...

Nicht mein Leben. Doch was wäre wenn ? Mir geht es gut, sitze hier mit den Reinheitsgebot deutscher Braukunst, in meiner Liege und phantasiere. Was wäre wenn? Brauchte dieses Leben nicht zu leben, liege hier , habe keine dererlei Verpflichtungen. Bin frei, schäme mich fast. Kann nichts dafür. Karma? Der Geruch von totem Fleisch durchzog meine Nase, wollte kotzen, konnte nicht. Mein Magen war leer, war schon lange leer, weis nicht seit wie vielen Tagen. Aber nicht nur mein Magen bedürfte es nach Nahrung auch die Mägen meiner Kinder, meiner Familie, meiner Nachbarn, meiner Mitleidenden Zeitgenossen. Somalia, Sudan, ich lebe in eines der ärmsten Länder der Welt. Keine Nahrung, kein Trinkwasser, keine medizinische Versorgung, keine ausreichende hygienischen Räumlichkeit, nichts!
Die Toten wurden aufgebahrt, nicht mehr zu Opfergaben, wie es damals noch Tradition war, nein um sie zu verbrennen. Der Sand , der Boden war zu spröde um Menschen dort zu begraben. Es hat ewig nicht mehr geregnet, vielleicht wird es ja nie wieder in diesem Erdenwinkel regnen. Wer ist Gott?, frage ich mich täglich. Schau und du glaubst, er wäre pervers! Will nicht Blasphemie betreiben, nein bei Gott. Will glauben, muß glauben, habe ja sonst nichts.
Schaue auf meinen verhungerten Körper herab, zähle meine Knochen, täglich werden es mehr. Meine Haut ist an vielen stellen aufgeplatzt, Eiter quillt aus offenen Wunden, Fliegen scheißen drauf. Bin zu schwach sie zu verscheuchen, lasse sie gewähren, sollen sie wenigstens satt werden. Wäre mein Tot dann nicht mehr so sinnlos, wäre mein Leben dann nicht mehr so Sinnlos. Wie lange noch?


Nicht mein Leben. Doch was wäre wenn ? Mir geht es gut, sitze hier mit den Reinheitsgebot deutscher Braukunst, in meiner Liege und phantasiere. Was wäre wenn? Brauchte dieses Leben nicht zu leben, liege hier , habe keine dererlei Verpflichtungen. Bin frei, schäme mich fast. Kann nichts dafür. Karma?
Wahrscheinlich kannte ich nie zu vor einem übleren Geruch als das vom verbrannten Fleisch eines Menschen. Konnte meinen Magen nicht leeren, weil ich stramm mit den Hals an einen Pfahl gebunden wahr. Würgte und hoffte innerlich ich würde an den Essensresten welche sich in meiner Luftröhre verfingen ersticken. Betet zu einem Gott obwohl ich Heide wahr. Wollte auf einmal glauben, das es einen Erlöser gebe. Einer der mich befreit aus den Klauen der Inquisition. Doch es gab solch ein Wesen nicht, zumindest nicht zu meiner Zeit. Meine Unterschenkel wahren völligst weg gebrannt, bewußt erlebte ich meine eigene Verbrennung. Überall brannten die Scheiterhaufen bis weit ins 18. Jahrhundert, ob in Spanien oder in England, in Italien, Dänemark, Rußland, in katholischen Ländern ebenso wie in protestantischen.
Des Bösen Diener sollen wir gewesen sein. Er hatte viele Namen Moloch, Beelzebub, Dreifuß, Hagedorn, Luzifer, allen Orts hatte man andere Namen erdacht um seiner Taten und Aberglaube gerecht zu werden. Das finstere Mittelalter war noch hell, verglichen mit dem was wir Unschuldigen erleiden mußten. Der Hexenhammer dessen erste Ausgabe 1487 in Straßburg erschien, verfaßt von Heinrich Institors und Jakob Sprenger, sollte zur Erkennung von Hexen und ihre anschließende Behandlung dienen. Diesen Männern ging es darum ihre Distrikte von Hexen, also vom Bösen, zu säubern. Dazu war offenbar keine Handlungsweise böse genug. Halb im Koma verfallen schaute ich um mich, sah das häßliche Pöbel jubelnd um das Lagerfeuer der Gerechtigkeit stehen. Menschen welche jahrelang mit mir auf ein und denselben Gehöft lebten, kehrten mir den Rücken, glaubten lieber falsches Zeugnis um nicht auch verkannt zu werden. Dieser unerträgliche Schmerz welcher in meiner Seele nach Hilfe schrie, war stärker als der körperliche. Spürte meinen Körper nicht mehr, das überlebens Adrinalin wirkte wie gutes orientalisches Morphium. Kurzweilig bekam ich sogar Wallungen von Glücksgefühlen. Ich falle, falle, verliere mein Bewußtsein. Sterbe für einen Aberglaube und wie viel werden mir folgen, werden wie ich den kollektiven Wahn zum Opfer fallen. Ich habe es hinter mir bin frei...

Nicht mein Leben. Doch was wäre wenn ? Mir geht es gut, sitze hier mit den Reinheitsgebot deutscher Braukunst, in meiner Liege und phantasiere. Was wäre wenn?
Brauchte dieses Leben nicht zu leben, liege hier , habe keine dererlei Verpflichtungen. Bin frei, schäme mich fast. Kann nichts dafür. Karma?

Schnell renne ich so gut ich kann, meine Kinderbeine tun sich schwer daran meinen Verfolgern zu entkommen doch ich will leben, will groß werden, will wie meine Väter und Urväter ein Krieger werden um zu kämpfen, für ein Volk welches langsam vom Aussterben bedroht ist. Duckend und laufend versuche ich den Bleigeschossen auszuweichen welche an meinen Kindskörper vorbei rauschen. Wie viel meines Volkes mußte ich Tot zurück lassen? Wie vielen konnte ich nicht helfen, Tränen des Kummers kühlten meine vom Feuer erhitzten Backen. Einmal blickte ich noch zurück, sah unser Zeltdorf wie es in Schutt und Asche zerfällt. Stolper, falle richte mich wieder auf renne noch schneller, will leben, für mein Volk, für meine spätere Frau, für meine Kinder die ich einst haben möchte. Ich Tatanka Yotanka Angehöriger der Hunkpapa der Teto Siox die auch unter den Namen Lakota bekannt waren.
Der Apache, der Hopi, der Mohave, der Navajo, der Pima, das Volk der Blackfeet, der Crow, Kiowa, Comanchen, um nur einige zu nennen. Wir die blutrünstigen Wilden laufen wie die Hasen durch die Wälder, die uns einst Schutz und Sicherheit, Nahrung und Lebensraum boten. Mein Name wird einst in aller Munde sein. Von Osten bis Süden, von Westen bis Norden, ich Sitting Bull. Für weises Blut laufe ich um mein Leben...


Nicht mein Leben. Doch was wäre wenn ? Mir geht es gut, sitze hier mit den Reinheitsgebot deutscher Braukunst, in meiner Liege und phantasiere. Was wäre wenn? Brauchte dieses Leben nicht zu leben, liege hier , habe keine dererlei Verpflichtungen. Bin frei, schäme mich fast. Kann nichts dafür. Karma? Mit letzter Kraft würge ich den dünnen Hals, des Kindes. Es ist mein Kind, es liegt nackt aus einem Haufen eben solcher nackten Menschen. Weil er Jude ist, weil er zu einer falschen Zeit das Licht der Welt, was rede ich, das Licht der Hölle erblickt hat. Fester drücke ich zu, er röchelt, will Leben , will vielleicht Leben, sollte lieber sterben. Dahin zurück kehren wo er einst herkam. Aus dem Nichts. Ein SS Mann läuft an das Massengrab entlang, ich ducke mich damit er mich nicht sieht, er darf mich nicht sehen, stelle mich Tot, bin schon Tot, weis es nur noch nicht. Bin schon viele Monate hier, weis nicht mehr wie lange. Ausschwitz!
Draußen wissen nur wenige etwas von dem was hier passiert. Es darf keiner erfahren, wie ein ganzes Volk ausgelöscht wird, systematisch, grausam unmenschlich, abartig, pervers. Einst war ich ein angesehener Geschäftsmann, nun bin ich eine Nummer 256778, ein gelber Stern als Armbinde zeigt mir das ich nun kein Mensch mehr bin, das ich nicht mal ein Tier bin, ich dürfte gar nicht mehr hier sein. Ich schaue mein Kind in die leeren Augen, habe ihn erlöst, wäre sonst lebendig begraben worden. Andere wurden lebendig verbrannt, zerstückelt, vergast, erschossen oder zu Tode gehungert. Zusammengepfercht lebte ich zuletzt Monate im Warschauer Getto, eine Todesstadt. Konnte fliehen, wurde erwischt, jetzt bin ich hier. Zwangsarbeiter. Arbeit macht frei, steht in großen Lettern an der Eingangspforte der Hölle. Geschaffen von Menschen für Menschen.
Stehe auf wische mir meine Tränen aus dem Gesicht, darf mir nichts anmerken lassen. Will weiter leben, um später zu erzählen, was war...


Nicht mein Leben. Doch was wäre wenn ? Mir geht es gut, sitze hier mit den Reinheitsgebot deutscher Braukunst, in meiner Liege und phantasiere. Was wäre wenn?
Brauchte dieses Leben nicht zu leben, liege hier , habe keine dererlei Verpflichtungen. Bin frei, schäme mich fast. Kann nichts dafür. Karma?
Nervös und vom Gewinnsucht gezeichnet werfe ich hastig die kleinen Chips in den Automaten. Das Bimmeln und Klingeln um mich rum erzeugt in mir eine Art Ekstase, kann nicht aufhören. Ausspielung bei vollen Erdbeeren. Werfe kurze Blicke nach links, dann nach rechts. Die Gänge sind endlos lang, vor jedem sitzen Leute, Leute mit den selben Blick, mit den selben nervösen Handbewegungen. Viele rauchen, rauchen viel, sind Kettenraucher. Manche nehmen Tabletten, Beruhigungstabletten. Einige drehen sogar durch, werden dann einfach vor der Tür gesetzt oder wenn es sein muß unter ärztlicher Aufsicht gestellt. Las Vegas die wahre Spielhölle. Entweder wirst du Trinker oder Glücksspieler oder Beides. Manche, so glaube ich sind schon immer hier, kommen immer wieder. Leben nur noch für das Glücksspiel. Sucht!
Sucht die arm macht, die Existenzen zerstört, Familien ruiniert, Menschen ins Grab bringt, weil sie sich vor Verzweiflung das Leben nehmen. Auch ich habe schon mit Tabletten und viel Whiskey versucht dieses erbärmliche kümmerliche Leben was ich nun schon fast zehn Jahre führe abrupt zu beenden. Die Ärzte ließen mich nicht, pumpten mir den Magen aus, wurde dabei wach, glaubte das sie mir Niere und Leber bei lebendigen Leibe entfernt hätten. Doch was ist das schon im Vergleich zu der Sucht, welche schmerzhaft in meinen Kopf rotiert, mich keinen klaren Gedanken fassen läßt. Bin im Arsch, schmeiße mit zitternder Hand einige Klückstallerchen in den Automat. Vielleicht knacke ich ja Heute den Jackpott, dann höre ich aber auf...


Nicht mein Leben. Doch was wäre wenn ? Mir geht es gut, sitze hier mit den Reinheitsgebot deutscher Braukunst, in meiner Liege und phantasiere. Was wäre wenn?
Brauchte dieses Leben nicht zu leben, liege hier , habe keine dererlei Verpflichtungen. Bin frei, schäme mich fast. Kann nichts dafür. Karma?

von Ulle Bowski

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