Unverhofft kommt häufig

Ich gerate zuweilen in die absurdesten Situationen. Neulich unternahm ich einen Spaziergang durch die Innenstadt und setzte meine Studie über die Menschen die mir begegneten fort. Es gibt kaum was Interessanteres als Leute zu beobachten. Ganz in Gedanken kam ich in eine Gegend die man hierzulande wohl als Rotlichtviertel umschreiben würde. Damen baten mir ganz unverhohlen ihre Liebesdienste an, aber nach körperlichen Aktivitäten war mir zu diesem Zeitpunkt nicht zumute. Als ich an einem Gebäude vorbeikam, das mit heller Neonreklame ins Innere lockte, lenkte ich meinen Schritt hinein. Unzählige Videos, Vibratoren, Dildos und ähnliche Artikel wurden hier feilgeboten. Ich malte mir aus in welche Öffnungen man diese Gegenstände einführen könnte. Als ich im Laden umherging, fiel mir ein Nebengang auf, den ich näher unter die Lupe nahm. Es gab insgesamt sieben Kabinen. Sechs Türen standen noch offen und ich betrat direkt die erste. Nachdem ich die Tür hinter mir verriegelt hatte sah ich mich kurz um. Es war nicht sehr gepflegt hier und es roch auch nicht besonders. Zahlreiche zerknüllte Papiertaschentücher waren auf dem Boden verteilt. Unter einer circa einen Meter großen, verdunkelten Scheibe befand sich ein Münzeinwurf. Ich schmiß den geforderten Geldbetrag ein und wie von Geisterhand wurde die Verdunkelung hochgeschoben. Auf der runden Tanzfläche bewegte sich ein ziemlich junges, fast nacktes Mädchen. Einladend ließ sie ihr Becken kreisen, streichelte mit den Händen ihren Körper und setzte ihren lasziven Tanz fort. Eine Weile betrachtete ich mir dieses Schauspiel und überlegte, ob das der Auftakt zu einer Paarung sein könnte. Noch während ich meinen Gedanken nachhing wurde plötzlich eine dem Betrachter verborgene Seitentüre aufgerissen. Ein offensichtlich geistig verwirrter, junger Mann sprang auf die Tanzfläche und stieß das Mädchen mit einem Schlag um. In der Hand hatte er ein Springmesser welches er mehrere Male in den Hals des Mädchens rammte. Der ganze Vorgang dauerte höchstens einige Sekunden. Sofort begab der Mann sich wieder auf den Rückzug. Ich wendete mich um, entriegelte meine Tür und trat ich in den Gang. Auch die Tür neben meiner Kabine war geöffnet und gab den Blick frei auf einen weiteren Gast, der sich auf die vorherige Szene offenbar selbstbefriedigte. Ziemlich pervers, wenn Sie mich fragen. Aus einer Tür am Ende des Ganges kam der Messertyp herausgestürzt, direkt auf mich zu. Ich stellte mich ihm in den Weg. Irritiert zog er erneut seine Klinge hervor und machte Anstalten mich zu stechen. An diesem Punkt riß mehr die Geduldsgeissel. Ich kapselte einen Arm ab und ließ zwei Tentakel hervorschnellen, die sich blitzartig um seinen Hals schlängelten. Durch den plötzlichen Schmerz der durch den Druck erzeugt wurde übermannt, ließ er das Messer auf der Stelle fallen. Ich ließ einen weiteren Tentakel herausschießen, der sich direkt in sein Gehirn bohrte. Innerhalb von zwei Sekunden saugte ich seinen gesamten Haß auf und konservierte ihn sorgfältig in einer Gehirnkapsel. Einen Haß in dieser Konzentration hatte ich bisher bei keinem Erdling vorgefunden. Da der Typ jetzt nutzlos geworden war, zerquetschte ich ihm kurz den Kehlkopf und transformierte mich in die Gestalt einer älteren Frau. Die wenigen Umherstehenden begriffen nicht was vor sich ging. Ich konnte daher ohne besondere Vorkommnisse den Laden flugs verlassen. Während ich in eine Seitenstraße einbog, hörte ich von Weitem die Sirenen herbeigerufener Streifenwagen. Ich glaube nicht, daß ich mich noch lange auf diesem Planeten aufhalten werde, denn meine Studien sind jetzt fast abgeschlossen....

von Michael Kassfeld

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