Kinder statt Inder

Fleißig saß ich mit Eric vor dem PC, wir übten uns in Excel, Word; DOS und Das. Immer wieder bleute ich ihn im monotonen Inderslang den Satz ein:" Tippelst du auf Tastatur wie ein Haufen Rinder. Kommen und nehmen Job weg dir die Inder". Mit starren Blick auf dem Bildschirm gerichtet schnellten seine kleinen Fingerchen über die Tastatur, wie Ray Charles zu seinen besten Tagen sein Piano den Blues entlockte, nur schneller. Wir übten uns gerade in Excel. Rekonstruierten das Preis - Leistungsverhältnis der Biber Saison anno 1848 Kenntucky Ohio. Bis er nach 18 Stunden anfing zu nörgeln, er möchte doch jetzt wie versprochen eine halbe Stunde Pac - Man spielen. Mit beruhigender Klopfbewegung auf seiner Schulter gab ich ihn zu verstehen. Junge du bist nun schon vier Jahre alt und du weist doch, der Pudding kommt nach der Suppe. " Wir machen die zwanzig Stunden noch voll und dann darfst du ruhig mal zehn Minütchen Pac - Man spielen," sprach ich lächelnd zu ihm. Freudestrahlend schauten wir uns an. Ich war stolz, ein guter Vater zu sein, er schien es auch zu sein.
So ging ich selbstzufrieden zur Tür hinaus, ohne jedoch vorher die Motivations Kassette auf Play zu stellen. Aus dem Ghettoblaster lief es hypnotisch :" Tippelst du auf Tastatur wie...". Leise schloß ich die Tür von außen.
Zielstrebig steuerte ich den Ofen in unsere Küche an. Ich hob den schweren Deckel des Topfes." Jamjamjam..." schaute ich schmatzend in der Schatzschüssel. UFFZ! Leer! Der Topf war bis oben hin leer. Mein nächster Blick gilt der rumschnurrenden Katze die sich geschmeidig um meine Beine schwand. Mit einen etwas festeren Würgegriff versuchte ich aus ihr ein paar Informationen zu locken. Vergebens, das einzige was zum Vorschein kam, waren die Fellreste der Maus die mir neulich noch an meine Käsefüße knabberte. `Recht so, dachte ich so für mich und ließ die Katze sanft auf den harten Boden aufprallen. Wuttgeladen rief ich aus dem Fenster, trotz allem das es geschlossen war, es wahr mir egal, mir wahr in diesen Moment alles egal. Ich brauchte meinen Reis, brauchte diese kleinen Körnchen so nötig wie der Zuckerjunkie sein Insulin. Wie der Raucher sein Nikotin. Wie andere Geld, nur geliehen.
`Selber machen`, kam mir in den Sinn. Hoffnungserfüllt dachte ich über die Zutaten nach. Was braucht man, um Reis selber herzustellen. Eine Liste von Zutaten tat sich vor meinen inneren Augen auf. Mehl, Haferflocken, Salz, Zucker, Tomaten, Pfeffer, Curry, Blindschleichen und Wodka. Großes Fragezeichen. Nach einer halben Stunde Listenkino, ein Lichtblick. Reis besteht eigentlich nur aus Reis und den hatte ich dummerweise gerade nicht im Haus. Der Teufelskreislauf schloß sich vor meiner Nase und so wie es aussah besaß ich dafür keinen Schlüssel Hastig durchwühlte ich die Kochbücher die durch einer dicken Staubschicht schlecht ausfindig zu machen wahren. Irgendwo mußte doch eine alte Oma Aufzeichnungen hinterlassen haben, die wenigstens annähernd auf ein reisloses Reisgericht hinweisen konnten. Der Schweiß der mir von meiner Stirn tropfte bindete den Staub, der schon anfing sich mit meiner Lunge anzufreunden. "`Das wäre es jetzt noch, beim Kochbücherschmöckern ne Staublunge einfangen`, ich schmunzelte über meinen schwarzen Humor . Obwohl, betrachtete ich die Staubhalde vor mir , so wahr es gar nicht so abwegig den schwarzen Tod die Hand zu reichen.
Mit schwarzbeschmierten Gesicht suchte ich mein Handy, um einen Reismeister zu rate zu ziehen. Meine zitternden Hände machten sich Selbständig, über diese kleine Tastaturfläche. 01188, die Auskunft. Die Seelsorge der Alzheimergeneration. Tut, tut, tut, tut, tut, tut... Keiner da, "scheiß Telephonfutzis", brüllte ich in der toten Leitung.
Kopfschüttelnd vergrub ich das Gesicht in meinen verschwitzten Händen. Mit den Handballen hielt ich meinen Tränenfluß zurück. Auf kleinen Booten ruderten meine Tränen durch den Seitenschlitzen meiner Augen an den Handballen vorbei. Ich phantasierte, ich verfiel ins Delirium wie so ein alter Säufer und das wegen Reisentzuges. Verschämt blickte ich um mich, ob vielleicht irgendwelche Fremdaugen sich den peinlich Anblick mit mir teilen wollten. Doch welcher Irrer möchte sich schon diesen armseligen Zustand von der Nähe betrachten? Mein Einsicht bestätigte sich, der Raum wurde nur von mir bewohnt. Erleichtert drückte ich die Wiederholungstaste des handlichen Retters. Ohrmuschel an Ohr wartend, lauschte ich den hoffnungbringenden Freizeichen am anderen Ende der Leitung.
Plötzlich, eine nette weibliche Stimme fragte nach meinen Bedürfnissen. Verdutzt antwortete ich spontan", zwei Bier und nach Feierabend und ne nette Nummer".
Schweigend legte sie auf. Ich Doofman verwechselte die alte Komunikationstusse mit unserer Kioskverkäuferinn, dort waren solche bizarren Bestellungen nämlich gang und gebe. Ein erneuter Druck auf der Returntaste bestätigte meinen Kampfgeist. Nach kurzem Freizeichen meldete sich diesmal eine männliche Stimme. Im hochstockenden Plattdeutsch fragte er mich schlicht." Welche Nummer möchten sie"? Nummer?!, ich Ries mich diesmal zusammen. " Geben sie mir irgendeine Nummer von einem Inder", sagte ich, als wäre es das normalste von der Welt.
" Irgendeinen Inder", fragte er verblüfft zurück. "Was kann daran so schwer sein"?, ja irgendeinen Inder!, gab ich entnervt zurück.
" Wir haben hier über sechs tausend von dieser Sorte Mensch in unserer Datenbank gespeichert," sprach er rhetorisch, wie ein zweitklassiger Springerstifelträger.
" Hör mal alter", ich weis zwar nicht ob du ne Glatze trägst, doch eines weis ich gewiß, außer Vakuum kann da anscheint nicht viel drunter sein", sprach ich im alten John Wayne Still auf ihn ein." "Du mußt wahrscheinlich einen Haufen Geld bei dir zu Hause gebunkert haben", stellte ich in selbstsicher zur Rede. Ein piepsiges " Wieso"?, ließ mich jetzt erst so richtig in Fahrt kommen. " Da du, so wie es aussieht, keine große Ahnung von Kaufen besitzt und du deshalb auf deiner scheiß verdienten Kohle erbärmlich sitzen zu scheinen bleibst"; versuchte ich das piepsende `Wieso`, zu klären.
Nach kurzer Denkminute gab er mir die Telephonnummer eines Indischen Fast Food Grills, welcher gleich bei mir um die Ecke ansässig war.
Ghandis Grill 224232, hastig tippte ich die Zahlenkombination, die mir das Tor zum Reisreich öffnen sollte ein. Tut, tut, tut, tut, tut, tut, tut... Eine gute halbe Stunde lauschte ich der eintönigen Botschaft, die eigentlich nur eines vermitteln wollte. Keiner da!
Der Ernst der Lage stand mir ins Gesicht geschrieben. Meine Sucht wahr stärker als mein Hunger. Ich drückte die Wiederholungstaste, gleich zweimal, sicher ist sicher. Ein Freizeichen, dann ein gebrochenes Deutsch," jal werl dal seien"?, fragte eine schüchterne Stimme. " Ich bin's, eurer beste Kunde, Jupp Debrowski, von der Klosterfeldergasse", wie immer, aber diesmal schneller", bat ich verständnisvoll.
" Jüpp Dilbröwski, Reistasche, weil immel"?, kam es noch etwas schüchterner zurück. " Ja, ja Reistasche", sagte ich noch nervös und legte auf. Eilig rannte ich zum nächsten Fenster, drückte mir die Nase an der Scheibe platt und lauerte wie eine Hyäne auf seine Beute. Von hier aus hatte ich die ganze Straße im Überblick. Ich bejahte das große Werbeplakat einer mir unbekannten Partei. ´ Kinder statt Inder`, nur tauschte ich geschickt im Geiste die beiden äußeren Wörter aus. ` Inder statt Kinder`. Meine Reissucht ließ meine Kinderfreundlichkeit für Sekunden schwinden. Ich kam mir so dreckig vor. Die zwei Minuten Wartezeit kamen mir wie eine Ewigkeit vor. ` Faules Pack `, dachte ich heimlich, so heimlich sogar, das selbst ich den Gedanke kaum wahr nahm. Doch ich blickte nun mal der Tatsache ins Auge. Das einzige was ich sah wahr eine Leergefegte Straße. Ja, das konnten die Inder, Straßen fegen, bis auf den letzten Krümel. Mein knurrender Magen machte mich aber auf diese Unwichtigkeit aufmerksam, so das ich nach getippter Wiederholungstaste laut in den Hörer brüllte:" Wo bleibt mein Reis"." Schlon untelwechs", antwortete eine etwas ängstliche Stimme." Wahr nur mal so eine Zwischenfrage", gab ich höflich zurück. Kaum als ich das Handy leicht gereizt in die Ecke beförderte, sah ich auch schon einen tippelnden Turban um die Ecke schaukeln.` Shiva sei dank`, dachte ich mit gefalteten Händen. Bei diesem herrlichen Anblick vereinten sich Weltreligionen, lief zur Haustür und lauerte auf das Klingeln der Schelle. Das hallte noch nicht ganz aus, da riß ich auch schon die Tür auf. So ein Ersatzfakir grinste mich hoffnungsvoll an und hielt mir im gleichen Moment ein Papierstückchen unter der Nase. "Du wollen hier unterschreiben"?, "für Aktion" ` Inder statt Kinder`, fragte er zuversichtlich. Hör mal du Schlangenbeschwörer." " Reis, das einzige was ich unterschreibe, ist der Kaufvertrag über die Portion Reis, die ich schon sehnsüchtig seit einigen Minuten erwarte.", drohte ich ihn Faustgebalt meine Ansichten aufs Auge drücken zu müssen.
Erstarrt vor dieser unerwarteten Überraschung polterte er rückwärts die Treppen runter. Für diese guten zweihundert Stufen, wahr er reichlich schnell unten. " und vergesse nicht die Tür zu schließen", rief ich noch trotzend hinterher.
Beim Anblick der zufallenden Tür lief ein innerer Film über mein Werdegang als Reisjunkie, irgendwo in so ein Bewußtseinskino. Ich rekelte mich in den Parketsitz, während ich in den Händen Cola und Popcorn so jonglierte das nichts auf den Hirngewebe meiner Dummheit fiel. Da sah ich mich zwischen all den Schlitzäugigen Familienmitgliedern und fragte mich mit großen aufgerissenen blauen Augen, ob sie überhaupt die Fähigkeit besaßen ihre Umwelt vollständig wahr zu nehmen. Ein kleiner Junge der mir gegenüber saß, bohrte schon seit der Vorsuppe seine Essstäbchen in seine Ohren. Er legte die mit Ohrenschmalz übersäten Stäbchen neben seiner Reisschüssel und fragte mich im kindlichen Ton, wie es den wohl wäre in Europa? "Zivilisierter," Gab ich patzig zurück. Mir paßte es echt nicht, das mich dieser gelbe Haufen Menschenmenge adoptiert und nach Asien verschleppt hat. Ich dachte Dies gehe immer nur andersherum. So wurde ich eines anderen belehrt und schmatzte genervt auf meinen Reis herum. Mein einziges Trostpflaster, außer Computerspiele natürlich.
Jeden Tag gab es diese weisen Körner, mal mit Huhn, mal mit Gemüse und wenn die Kohle knapp wurde, und das wahr nicht gerade selten, dann gab es halt nur Reis, trocken, fast lecker. Eines Tages bin ich dann geflüchtet, ich klaute mir so eine alte Rischka, gab einen alten Man ein paar Bat und ließ mich nach Germany kutschieren.
Kein Geld, aber hungernd und durstend betrat ich den Laden meines Verhängnisses.
Der Hausdedektiv drehte mir mit einen freundlichen Grinsen beide Arme auf halb acht. " Mundraub", versuchte ich mich stotternd aus der Affäre zu ziehen.
" Soso, Mundraub", mit diesen Worten fing er an mir die zehn Beutel Reis in meinen Hals zu schütten. Anschließend beförderte er mich mit einen Elfmetertritt aus der Einkaufsstätte. Ich steckt mir das Anklageprotokoll in meine Arschtasche und schlenderte Richtung Nirgendwo. Der Reis begann sich langsam in meinen Magen zu einem leckeren Mittagessen zu verwandeln. Er quirlte auf. Das niemals zehn aufgequollene Reisbeutel in mein Bauch Platz finden würden, ließ mir meinen letzten Tag auf Erden bewußt werden .´ Was soll's`, dachte ich mir, besorgte mir eine Flasche Pennerglück und begab mich zum sterben in den naheliegenden Park. Meine Pocke wahr mittlerweile zu einer Medizinballgröße herangewachsen. Geschwächt und dem Delirium nahe halluzinierte ich. Onkel Benz aus der USA flog engelflügelntschlagent über meinen Kopf hinweg und beschüttete mich mit Gabeltauglichen Reis, der der angeblich nicht kleben sollte. Die Körner rieselten auf mich herab, gleichzeitig tropfte feinster Baumharz von den umliegenden Blätterträgern auf mich nieder. Geharz und Gereist stand ich auf und suchte mir einen anderen Ort um mich für meine letzte Tat auf Erden seelisch vorzubereiten. Den Tot entgegen treten. Mir wurde schummerig, der Sensenmann stand mir mittlerweile gegenüber und begrüße mich mit einen freundlich " Hallo, alles klar"?
" Geht so", gab ich zurück und folgte seinen Schritten. Mit seiner alten Klosterkutte und der billigen Gartensense sah er wirklich albern aus , der Tot. Wieviel zeit habe ich früher als kleiner Junge damit verbracht Angst vor diesem Unbekannten zu haben. Wievielte Stunden verbrachte ich kauernd unter der Bettdecke? Ich weis es nicht mehr. Hätte ich dies nicht getan, hätte ich theoretisch schon doppelt so alt sein können wie ich jetzt in Wirklichkeit wahr. Aber jetzt is es ja eh Wurscht. Die Sonne stand diesem Tag recht hoch am Himmel, eigentlich ein viel zu freundlicher Tag um das Antlitz der Erde den Rücken zu kehren, dachte ich so und versteckte mich blitzschnell hinter einen Baum. Der Totenkurier ging unbemerkt seines Weges, mit den Glauben ich trotte hinter ihn her. Arschlecken, dachte ich und zeigte ihn meinen gestreckten Mittelfinger hinterrücks. So da bin echt dem Tot ja gerade eben noch mal entwischt. Schnell rannte ich zu meiner halb vollen Flasche Wein und leerte sie, wie ein Neugeborenes an der Brust seiner Mutter nach Nahrung suchend. Währenddessen ich den Sensenmann von weiten meinen Namen rufen hörte, überlegte ich was ich mit den angebrochenen neuen Leben noch anfangen sollte. ´Studieren´, schoß es mir durch den Kopf. Reisen?, Sport treiben?, Selbständig machen?, schwimmen gehen?, etliche Ideen schossen mir durch den Kopf. Ich befand mich im Wilden Westen der Entscheidungen.

von Ulle Bowski

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