Rotlichtmilieuflöhe

Endlich, mein erster freier Tag seit Jahren. Mit dem angesparten Geld, welches ich durch tägliche Doppelschichten in unserer Dorfkokerei verdient hatte, wollte ich mir einen netten Abend zu zweit machen. Es sollte ein wahrhaft unvergeßlicher Tagesablöser sein. Freuend über das freuende Gesicht meiner Ehefrau, welche aber noch bei ihren Eltern wohnte, lief ich diesem entgegen. Nur geteiltes Glück ist wahres Glück, dachte ich so realitätsabwesent vor mir her. Der Fahrer des Fahrrades der auf Grund dessen mir über den Fuß fuhr, stoppte ich durch ein lässiges vorschieben meines Wanderstockes zwischen seine Speichen. Mit einen meisterhaften Überschlag begrüßte er den harten Kopfsteinpflaster, wie der Papst jedes Land der Erde, nur schneller. Seine Nasenlöcher sogen den Dreck vor meiner Nase auf, dankend ging ich über den glänzenden Boden, Richtung Angetrauter.

Frieda, geborene Sturm, ich liebte sie. Sie hatte es zwar ein wenig an den Ohren, aber sonst verstanden wir uns echt prima. Einmal habe ich für sie auf unseren alljährlichen Rummel eine Rose geschossen, es ist aber Jahre her. Möchte damit nicht mehr protzen, obwohl ich es ihr nach einer schlechten Sexnacht doch schon mal vorwerfe. "Was habe ich nicht alles für dich getan", heißt es dann meist einleitend. Aber Schwamm drüber, "Heute ist die Nacht, der Nächte", schrie ich in den Tag hinein und tippelte meinen gewählten Weg.
Ring, Ring, Ring, in sturmschellender unduldigkeit bearbeitete ich die Haustürklingel meiner Schwiegereltern. Wir verstanden uns prächtig, sofort am ersten Tag unseres Kennenlernens wurde ich in der Familie, die über ein kleines Anwesen verfügt, aufgenommen. Nur heute anscheint irgendwie nicht, die Backpfeife die mir mein Schwiegervater verpaßte ließ meine sonst so blasse Haut ins rote übergehen. Die Tür die er vor mir zuschlug bohrte sich leicht in meiner etwas längeren Nase. Geduldig wartete ich schweigend auf eine Entschuldigung. Nach einer haben Stunde doof rumwartens gab der klügere mal wieder nach. Mit Scheidungsplänen ging ich Richtung Vergnügungsviertel. Unser Dorf bestand eigentlich nur aus zwei Vierteln. In dem einen, wo das Geld verdient wurde und dem andern, da wo es wieder ausgegeben wird. Ein Todeskreislauf der Markwirtschaft. Der Gehörsturz von Frieda kam also nicht von ungefähr, stellte ich sherlockhomesartig fest. Na egal, die wird sowieso eine Zeit lang nichts mehr von mir hören, dachte ich noch beiläufig. Ich rieb mir die Hände. So jetzt hatte ich Geld für zwei. Ficken und Essen!

Als erster mal lecker Essen knurrte mein Magen. Mit einer winkenden Handbewegung bat ich dem Pommes Fritzen mich königlich zu bedienen. Die Speisekarte bestand nur aus zwei verschiedenen Gerichten. Eine viertel Stunde starrte ich auf die reichliche Auswahl, mein Gehirn schien überstrapaziert. Spontan wählte ich Menü 1, wie jeden Abend. Mal unter uns, Fisch war hier nämlich ungenießbar. Ich hatte an dieser Bude einmal Fisch gegessen und das war von meinem ersten Taschengeld, ich kotzte mir gute drei Wochen Lunge und Galle aus. Mit den Worten ich könne die Dinge die ich durch mein Taschengeld erwarb nicht so recht bei mir halten, strich mein Papa mir mein Taschengeld wieder. Auf Lebzeiten versteht sich, er war ein so selbstgerechter Mann. Sehr aufrichtig, trotz seines Alkoholmißbrauches. Das er selbst allabendlich Kotzent in der Kloschüssel sang, brauche ich hier nicht zu erwähnen.
Mit der linken hob ich meinen Zeigefinger, zu einer symbolischen Eins verkrampft und mit der Rechten schnippte ich lässig, des Koches Bewegung schneller werden Verlangens. Fleischklöpchen mit Toast. Das Wasser, welches mir im Munde zusammen lief ersparte mir die Auswahl eines Getränkes. Sparsamkeit war mein zweiter Vorname.
Erst jetzt viel mir auf das die Bedienung neu sein mußte. Murrend suchte der Aushilfskellner seiner Kochkunst anscheint nicht sicher, blätternd in dem Fachbuch nach rat. Irgendwas stellte ich bei dieser Beobachtung schnell fest, und zwar seine Schraube, die an scheint sehr locker zu sein schien. Roboterhaft rollte er nun das tote Tierkadarver zu kleinen lustigen Bällchen. Durch klopfen mit Messer und Gabel auf der Tischfläche versuchte ich ein schnelles herbeizaubern der Köstlichkeit zu beschleunigen. Doch schien ich statt dessen den Jungkoch dermaßen aus der Fassung gebracht zu haben, so das er anfing mit Messern nach mir zu werfen. Gekonnt duckte ich mich, war nicht umsonst jahrelang in alle möglichen Kampfsportschulen anwesend. Die Oma die hinter mir stand mußte leider mit dem Leben dafür bezahlen. Weiter duckend versuchte ich noch das Eßbesteck aus ihren Rippen zu ziehen, doch jegliche Hilfe meinerseits kam zu spät. Irgendwie wurde mir der Laden hier zu Bund, mit ekelverzerrtem Gesicht kletterte ich über die Blutverschmierte Oma Richtung Rotlichtmilieu. Wenn ich schon nix gescheites zu Essen bekomme möchte ich mich jetzt auch nicht noch von Luft ernähren, dachte ich so und schlenderte durch die enge Gasse des ältesten Gewerbes der Welt. Mit archäologischen Blicken beobachtete ich das herbeiwinken der Liebesdamen. Oh, weit und breit kein anderer Mann, eine Tatsache durch die ein geschicktes runterfeilchen des Liebespreises möglich war. Eine Inderin blendete mich mit ihren Kopfschmuck, welches sie an der Stirn kleben hatte. Mit flackernden Augen wendete ich mich in die andere Richtung. Meine Blicke verfingen sich in einer kleinen dicken äußers häßlichen mit Hautakne versehenen Unpersönlichkeit. Liebe macht doof taumelnd ging ich auf sie zu. Ich schaute auf sie herab. Ein beißender Geruch nistete sich in meiner Nase. Wieviel fragte ich würgend. Fümfzisch Maarg gab sie lethargisch von sich. "Fünfzig deutsche Mark", gab ich verdutzt zurück. Das `deutsche`, betonte ich noch extra, um sie auf die schwerverdienenden Umstände aufmerksam zu machen. Die faulen Zähne die ihr hämisches Lächeln preis gaben, verriet, das ein Handel nicht in Frage kam. Ich drehte mich kurz weg und zählte mein Gespartes. Hastig entknitterte ich die Scheine, die ich in meinen schwitzenden Händen hielt. Ich konnte es kaum erwarten, die alte zu zeigen, was auch immer.
Genau fünfzig. Wie Rockefeller bat ich um Einlaß. Den schwabbeligen Arsch verfolgend trottete ich hinter ihr her. Meine Hose wurde enger. Das stetige Treppen steigen ließ meine Beinmuskelatur dermaßen anschwellen, so das mir mein Beinkleid zu reißen drohte. "Nur noch drei Stockwerke", flüsterte das Sexmonster zu mir runter. Mit letzter kraft nickte ich ihr ein O.K zurück.

Da stand sie also vor mir. Die Brut der Unzucht. "Los mach dich nackig, du Sau", gab ich im Befehlston von mir. Ich selbst zog alles aus, bis auf meine Karo Socken und die passenden Schuhe. Habe sie extra für meine Verabredung mit meiner Anvertrauten putzen lassen.
"Dann kommen sie ebbend hier zum Einsatz", dachte ich verachtend.
Insgeheim betete ich das sich das häßliche Vieh wieder anziehen würde, doch Liebe macht nun mal doof. Ich war der anziehenden Magie der Nutte hilflos verfallen.
Das einzige was mich aus dem Klauen des Fickcatchers befreien konnte war eine klare Ausrede. Mit umherschweifenden Blicken suchte ich nach Mängel, um den Dienstleistungsprozeß vor Beginn noch rechtzeitig aufhalten zu können. Dreckige Fenster? Nein, normal. Versüffter Teppich? Nein, normal. Vergilbte Tapeten? Nein. Normal. Volle Aschenbecher? Nein, normal. . .

So suchte ich noch eine weile nach geeigneten Vertragsbrechern, doch ich fand nichts. Bis mir auf einmal eine unübersehbare Filzlaus in meiner rechten Wade biß und mit einigen Mililitern meines Lebenssaftes davon hopste. Das ist es, wußte ich und hopste hinter der Laus her. Wie Rocky hinter das Huhn so jagte auch ich zielsicher hinter den ekligen Blutsauger her. Mit einem Satz sprang sie hinter der vermoderten Fickunterlage, welches ich nach genauer Betrachtung als Luftmatratze outete. Geschickt öffnete ich das Ventil, welches am Kopfende angebracht war. Die herausströmende Luft ließ die Liebesliege schrumpfen. Angstkauernt sah ich den Blutsauger in der Ecke hocken.
Nach kurzem feindlichem Blickaustausch ließ ich meine Faust in das schmatzende Gesicht des Ungeziefer schnellen. Unkenntliche Zähne verteilten sich lautlos auf den von Hundehaaren übersäten Boden. Die Laus hob beide Arme, zur Kampfaufgabe bereit, in die Höhe. Ich nahm sie vorsichtig an der Hand und führte sie meiner Geschäftspartnerin vor. Mit den Worten und den abwinkenden fingerzeigens auf die Übeltäterlaus, "Unter solchen Umständen kann ich nicht kuscheln", verlangte ich mein schwer verdientes Geld zurück. Mürrisch, aber anscheinet einsichtig wühlte sie die DM Noten aus ihre Speckfalten. Mit kritischem Blick zählte ich die fünf Scheinchen vorsichtshalber noch mal durch. "1,2,3,4,5. Alles palleti", schnalzte ich und fing an meine Kleidung wieder an meinem Körper zu legen.
Ich schenkte ihr noch einen gewerbewechselnden Blick und verschwand aus der Tür.

Önde

Von Ulle Bowski

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