Bukowski

Es ist ein ziemlich kalter und regnerischer Februarmorgen als ich die Gangway der British-Airways-Maschine Richtung London in Düsseldorf hochstolziere. Im Inneren erwartet mich die übliche Prozedur: Gleich zwei nett grinsende Stewardessen wünschen mir einen guten Morgen. Im Gang herrscht wieder mal komplettes Chaos. Irgendwelche Arschlöcher nehmen jedes einzelne der Magazine, die direkt am Anfang des Ganges feilgeboten werden, unter die Lupe und verhindern jegliches Weiterkommen. Viel zu große Taschen werden probeweise in die Gepäckablagen über den Sitzen gestopft. Was soll's ? Dieser Mist ist ja nichts Neues. Als ich es endlich geschafft habe, mich bis zu meinem Sitz vorzuschlagen, ziehe ich den Bukowskigedichtband aus der Tasche und pfeffere meinen Mantel in die Gepäckablage. Wenigstens habe ich einen Fensterplatz. Neben der Aussicht bedeutet das nur einen Sitznachbarn. Immerhin! Während das rege Treiben auf dem Gang seinen Lauf nimmt, vertiefe ich mich in das erste Gedicht. Nach nur wenigen Zeilen werde ich von meinem eintreffenden Nachbarn unterbrochen. Typ: Geschäftsmann. Lächerlicher Seidenschal, rote Krawatte zum dunklen Einreiher. Er grüßt kurz und packt sein Laptop in die Ablage. Geräuschvoll läßt er sich neben mir nieder und faltet das Handelsblatt theatralisch auseinander. Ich hasse diese Yuppieärsche. Spätestens mit 40 völlig ausgebrannt. Ich widme mich erneut dem Gedicht. Langsam kehrt Ruhe in der Maschine ein. Die Stewardessen machen einen letzten Rundgang und kontrollieren den korrekten Sitz der Sicherheitsgurte. Dann beginnt die Maschine über's Flugfeld zu kreisen. Mittlerweile bin ich beim zweiten Gedicht angelangt und muß mich mal wieder wundern wieviel Poesie aus der Feder dieses abgefuckten Genies geflossen ist. Von verschiedenen Monitoren und vom gestikulierendem Personal werden die Passagiere mit den Sicherheitsvorkehrungen vertraut gemacht. Ich passe denn Hank ist fesselnder. Dann hebt der Flieger endlich ab. Ein leichter Druck macht sich in der Magengegend breit. Ich denke, ich werde mir später einen Whisky bestellen, ganz im Sinne des Meisters, und freue mich schon auf das verdutzte Gesicht der Stewardeß, mit dem immer dann zu rechnen ist, wenn man was Außergewöhnliches (also mal was außer Bier, Cola oder Kaffee) bestellt. Doch der Alkohol wird heute wohl nicht durch meine Kehle fließen. Während von der linken Seite laute Geräusche ans Ohr dringen, so als schlage jemand mit einem Vorschlaghammer mit voller Wucht gegen die Außenverkleidung, nehme ich den nicht unangenehmen Duft von Kerosin wahr. Ich lese gerade das Gedicht: "Für Marylin M." und bin an der Stelle: "Dein Körper, wie im Rausch verbrennt zu weißer Asche...." als ein riesiger Feuerball quer durch das Innere des Flugzeug schießt. Für einen Augenblick höre ich einen entsetzlichen Lärm: Schreie, Krachen, Rauschen. Dann ist alles still. Und so verbrenne ich in dieser Maschine ohne Whisky und mit Bukowski in meiner Hand.

von Michael Kassfeld

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