Bier, leere Worte und Intellektuelle

Das Solo des Gitarristen erinnerte mich an nichts. Die Bluesjam an einem vertrocknetem Brötchen. Die Musiker spielten den Schmerz anderer Menschen. Schon längst gestorbene Menschen. Den Schmerz von Baumwollpflückern, Sklaven, Hafenarbeitern kann doch niemals so eine Intellektuellenschwuchtel authentisch wiedergeben, dachte ich so vor mir her und leerte das lecker Bier in einem Zug. Bestellte Neues und ließ mich weiter nerven. Ich wartete auf zwei nette Gestalten, welche des Feiern nicht müde sind. Zwei die trinken für drei, solche halt. Kaum zu ende gewartet da kamen sie schon durch die Türe. Der Intellektuellenblues- Ohrenschmerzscheiß plumpste aus meinen Gemüht. Freudig winkte ich sie herbei, sie wirkten ein wenig Orientierungslos. Das kann ja heiter werden.
Eine Umarmung ließ unser Freude, sich mal wieder zu sehen, erkennen. Ein Kastenbrillenmensch starrte uns an. Er schaute als wollte er mit umarmen. Verpiss dich, ließ mein Blick ihn sagen. Anscheint hörte er meine Augensprache und schaute weg. " Schön, wirklich schön euch zu sehen"! " Wie war der Urlaub"? " Scheiße, ach so schade, zwei, ach was drei Bier": Die Kellnerin eilte, man sah den Neuankömmlingen in ihre vertrockneten Kehlen. Wir tauschten Freude aus, währenddessen die Blues ohne Schmerz Musiker auf ihren Instrumenten jaulten. Einer sang den Hello Mary Blues. " Get Out of My Life Women", auf Deutsch verpiss dich aus mein Leben du Schlampe. Die sangen irgendwie nur von Trennung, Scheidung und Alimente zahlen. Ich schaute mich um. Kein Musiker war in weiblicher Begleitung. Kamen sie also nur hier hin um sich bei den herumsitzenden Volk auszuheulen. Die wollten bestimmt nur ein ruhigen entspannten Abend verbringen und jetzt mussten sie sich das Gejammer antun. Wir tranken aus und gingen. Der Kastenbrillenmensch schaute uns nach, ich spürte es. Sein Blick schien sich in mein Polyesterhemd verfangen zu haben. "Kannst du bitte los lassen", rief ich, ohne mich nach ihm um zu sehen. Ich spürte Erleichterung. Es schien weg zu schauen. Fröhlich zogen wir unser Weges, auf der Suche nach einer neuen Kneipe. Am Rande der Stadtmauern, die hier einst standen, gab es eine Kneipe in der sich hauptsächlich Intellektuelle trafen. Dort tauschten sie Wissenswertes aus was sonst kein Arsch interessierte. Philosophisches Kauderwelsch über Gott und Kunst. Von Kunst hatte dort jeder Ahnung. "Kunst muss man in sich aufnehmen, verinnerlichen. Kunst muss sich mit den inneren Organen vereinen. Leber und Leinwand. Farbe und Milz. Die Luftröhre ist ein Ventil geistiger Emotionen. Bla, Bla, Bla...", sagte mal jemand zu mir. Seinen wirren Kopf verglich ich mit Krautsalat aus Ali´s Dönerbude. Beleidigt setzte er sich an einem anderen Tisch, was mir sehr recht war.
Nach einem kurzen Fußmarsch kamen wir an dieser besagten Kneipe an. Die Theke wurde von einigen Alleinstehenden, ich schätze mal Intellektuellen, belagert. Menschen die ihr hochprozentiges Wissen mit keinem mehr teilen konnten. Besorgt sahen sie aus. Und ich sah wie sie sich die Sorgen teilten. Teilten mit ihren Getränken. Einer redete sogar mit seinem Getränk. Doch das Getränk schien ihn nicht zu zuhören. Ein Gorbatschow-O-Saft versteht nun mal kein Deutsch. Fest entschlossen versuchte der Gast dem Getränke die Marxistische Geschichtsphilosophie zu erklären. " Nicht die Idee bestimmt das gesellschaftliche Dasein, sondern ökonomische Bedingungen prägen die geistige Verfassung des Menschen in der Gesellschaft", lallte er ins Glas. Dem Wirt schien das Zwiegespräch zwischen seinen Inventar und seinen Gast zu missfallen. Kurz entschlossen bot er dem Gast die Rechnung an. Der betrunkene Hirnakrobat wühlte in seinen Taschen, wohlmöglich suchte er nach Geld. " Mein Kapital", schrie er auf. " Man hat mir mein Kapital gestohlen"! Der Gast war außer sich. Der Wirt packte ihn am Arsch und schleifte ihn aus der Gaststätte. Nun war er außer Haus." Das Kapital, jedes Mal das selbe mit den Schmarotzer", schimpfte der Wirt und stellte sich wieder hinter den Tresen. Hudson bestellte drei Bier und wendete sich zur Simone rüber. Vertieft in ihrem Gespräch bemerkten sie mein Dasein nicht mehr. Etwas gelangweilt schaute ich mich in der Kneipe um. Betrachtete die Kunstwerke die Wände und Decke schmückten. Ein Bild viel mir besonders ins Auge. Es musste ziemlich lose an der Decke gehangen haben, auf jeden fall erwischte mich die scharfe Kante des Holzrahmens direkt ins rechte Auge und schob mir meine Kontaktlinse zur Seite, die darauf hin zu Boden glitt. Einäugig erforschte ich den Fußboden um meine Sehhilfe wieder zu finden. Ich tastete vorsichtig den Boden ab und ließ mein sehstarkes Auge über die Holzpaneele gleiten. Ein Windzug unterbrach meine Suche. Es fröstelte, neugierig blickte ich auf um die Windhose ausfindig zu machen. Dicke Beine versperrten mir die Sicht. Auf den dicken Beinen war ein noch dickerer Rupf zu erkennen. Und auf den dicken Rumpf ein noch dickerer Kopf, an den lange, fettige, blonde Haare herab hingen. Eine riesige runde Brille schmückte den Kürbiskopf und der Kopf fing an zu sprechen." So ist es richtig! Auf den Boden sollt ihr vor uns krauchen ihr Würmer. Ja, leckt den Boden, vereint eure schmutzigen Gedanken mit den Dreck auf den ihr kriecht." Dann bestellte der Kopf sich noch einen doppelten Jim Beam und nahm meinen Platz ein. Verstohlen blickte ich hoch und sah wie sich der Arsch über den Barhocker stülpte. Der Kopf, Rumpf und die dicken Beine gehörten einer Dame, die sich selber Heiner nannte. Aus dem Gespräch das sie mit den Wirt führte, konnte ich heraus hören das sie heute wieder Emanzentreffen hätten. Ja schöne Scheiße dachte ich mir und kroch vorsichtig an ihr vorbei. Zog mich an den nächstgelegenen Tisch hoch und setzte mich erst mal. Intellektuelle und Emanzen, kein Zweifel ich war in der Hölle gelandet. Mit einem Augenzwinkern versuchte ich meinen beiden Freunden auf unsere missliche Lage aufmerksam zu machen. Doch schien es mir als würden sie mich gar nicht wahrnehmen. Sprachlos deute ich mit einer Handbewegung auf mein leeres Glas, das genau vor der Dicken stand. Der Wirt Verstand mein Handzeichen nicht, glaubte anscheinend ich wollte etwas von der Dicken. Er sprach sie an und deutete auf mich. Verächtliche Blicke schlugen auf mich ein. Es schien als trafen sie mich an Stirn, Kinn und Nasenbein." Is was Alter", erschalte es in der Räumlichkeit. "Ein Bier, ich hätte gern noch ein Bier", stotterte ich. " Sehe ich aus wie der Wirt"? Ich sagte nichts, dachte mir mein Teil. Dachte wohl zu laut. Ein kümmerliches "Ja", hörte ich mich sagen. Die Fettwalze erhob sich und marschierte zielgenau auf mich zu. Drehte mir aus meinen Pulli ne Acht und sagte:" Junge, so Typen wie du verspeise ich zum Frühstück". Ihr Aussehen nach zu urteilen schien da was wahres dran zu sein. Der Wirt mischte sich ein und meinte, in seiner Kneipe gebe es keine Schererin. Die Olle ließ von mir ab und begab sich wieder an ihren Platz. Ich atmete wieder und nahm ein großen Schluck Bier das mir der Keeper reichte.

von Ulle Bowski

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